Sonntag, 30. September 2007

Servus, Stoiber! Hallo, Irrsinn!

Moin Leutz!

Eine "Äh"ra geht vorbei. Nach 14 Jahren hört CSU-Chef Stoiber an diesem Wochenende auf. Wie werden wir ihn vermissen.
Stoiber, der wegen seiner Haspelreden nicht zuletzt als Rhetorik-Genie in die deutsche Geschichte eingehen wird.
Aber es gibt auch etwas neues in der CSU zu vermelden. Zum ersten mal in der Parteigeschichte, gibt es so etwas wie Demokratie. Sie haben schon richtig gelesen. Denn zum ersten mal kann die Basis zwischen 3 verschiedenen Kandidaten wählen.
Zur Wahl stehen:
Erwin Huber, seines Zeichens bayrischer Wirtschaftsminister,
sowie,
Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer und,
die Fürther Latex-Landrätin Gabrielle Pauli.
Als Favorit gilt laut ZDF-Barometer Huber, der mit knapp 48 Prozent der Stimmen rechnen kann, gefolgt von Seehofer mit 36 Prozent und als Schlusslicht die promovierte PR-Lady Pauli mit grade mal 6 Prozent.

Trauer über Stoibers Abgang.
Die bayrische Musik- und Kabarettgruppe "Biermösl Blosn" sieht Stoibers Rücktritt als derben Verlust für Bayern. "Wenn man diese granatenmäßig komischen Reden, (...) die unser Ministerpräsident gehalten hat, (...) mal so richtig durchsichtet, dann wird einem erst klar, was das für ein gigantischer Verlust für den deutschen Humor ist." sagte Band-Mitbegründer Hansi Well am Freitag im Bayrischen Rundfunk. Sein persönlicher Lieblingssatz von Stoiber, der auch übrigens mein Lieblingssatz von ihm ist, lautet: "Ich mache nicht nur leere Versprechungen, sondern ich halte mich auch daran!" Aber Stoiber hat auch andere gute Sachen gemacht. Immer hin hat er Bayern "durch Schneekanonen klimaunabhängiger gemacht" so Well.

Anderes Thema
Das Anti-CSU-Lager formiert sich!
"Und er wird weiter steigen!" spricht Seehofer und meint damit den Milchpreis. Denn mit dieser Versprechung will er die kleinen Bauern für sich gewinnen - und für die CSU. Die CSU versucht ihre angeschlagene Machthegemonie wieder aufzurichten. Doch dafür muss eine Machtarchitektur in den Fürhungsetagen gebastelt werden, um den stoiberischen Erbfolgekrieg in die richtigen Bahnen zu lenken. Deswegen will die CSU wie der FC Bayern machen. Mit allen Pfunden wuchern, klotzen, nicht kleckern, tief in dei Tasche greifen, ganze Bevölkerungsgruppen bestechen, das Land im Wahlkapmf überschwemmen. Und auf lokaler Ebene weiterhin in feuchtfröhlicher braun-schwarzer Herrlichkeit. Die Dorf-CSU trunpft auf, fiest Widerscaher der an, besäuft sich bierzelteweise. Das es in Bayern auch normale Menschen gibt, die sich gegen die CSU stellen ist ganz klar. "Es ist unglaublich, wie sich die schon wieder aufführen!" schimpft eine Bürgermeisterin der Freien Wähler im Dachauer Land.
Deswegen soll es demnächst ein Volksbegehren in Bayern geben, welches sich gegen die dritte Starbahn am Dachauer Flughafen, gegen das Milliardengrab Transrapid und gegen die immer liberaler werdende Industriepolitik der CSU richten wird. Manche Leute im Anti-CSU-Lager drohen schon mit einem zweiten "Wackersdorf".
Die CSU verkauft sich stets als "Heimatpartei" und meint damit eigentlich nur noch die Museumspflege und den Tourismus. Den das eigentliche Bayern ist nicht "rapid" und immer schneller, höher, weiter. Es ist gemütlich, behäbig, man will seine Ruhe haben und nicht lauter größenwahnsinnige Bauprojekte. Vor allem aber, will man es schön haben.

Wo wir gerade beim Tourismus waren, gehen wir doch mal zum Tag des Flüchtling rüber. Hier ein kleiner Artikel, den ich aus der jw habe:

Schäubles Reisebüro

Guten Tag, wir möchten Sie begrüßen, bei Schäuble Reisen - Der One-Way-Spezialist
So begrüßt "Fillialleiter" MAtthias Weinzierl, Geschäftsführer des bayrischen Flüchtlingsrats, Pressevertreter und Besucher. Dann stell er Reisen nach Afghanistan ins Hotel Exitus Deluxe oder in den Irak in das Hotel Mortalitas Royal vor. Das Frankfurter Café Ypsilon ist für den Zweck der gemeinsamen kabarettistischen Aktion von Pro Asyl und Hessischen Flüchtlingsrat als Reisebüro hergerichtet. Zum Auftakt gibt Weinzierl Einblicke in "die Philosophie des bundesweiten Unternehmens, deren Partner die deutschen Innenministerien sind". Den Reiseweg preist er als "unkompliziert". Spontan und unangekündigt werde man zuhause abgeholt; keine Entscheidungsschwierigkeiten beim Kofferpacken: "In 20 Minuten alles in >Happy Bags< verpackt. Was nicht hineinpasst, bleibt da." Bemerkenswert seien auch die "Happy Fixes": eine Anschnallmöglichkeit, bei der man zwangsläufig ruhig bleibt.

Schreibt die Junge Welt am Samstag. Deutsche Abschiebepraxis mal anders.

Aber bewerben sie sich jetzt: Zu den Sonderaktionswochen des Bundeskriminalamtes/BKA und des Bundesamtes für Verfassungsschutz/BfV

Terroristen gesucht

Anfang August kam Dr. Andrej H., Soziologe von der Berliner Humboldt Universität, für drei Wochen in Untersuchungshaft. Die Generalbundesanwaltschaft beschuldigt ihn der Mitgliedschaft einer nach §129a StGB in einer terroristischen Vereinigung. Namentlich geht es dabei um die millitante Gruppe (mg), der 25 Brandanschläge auf Polizeiautos, einen Supermarkt und das Wirtschaftsinstitut für Wirtschaftsvorschung zugeschrieben werden. Drei weitere Personen wurden in derselben Sache Ende Juli inhaftiert und sitzen bis heute unter verschärften Haftbedingungen ein.

Mehrere werden darüber hinaus wie Andrej H. einer Art intellektuellen Täterschaft bezichtigt, darunter Dr. Matthias B., Politologe aus Leipzig. Die Verdachtsmomente gründen auf akademischen Fähigkeiten, die es brauchte, um die anspruchsvollen bis schwer verständlichen »Erklärungen« der mg zu verfassen. Der Zugang zu Bibliotheken gilt als belastend, vermeintliche Übereinstimmungen in »Schlagwörtern und Phrasen« mit den Bekennerschreiben wurden ermittelt.

Daß die Beschuldigten nicht nur die Kompetenz zur Darstellung komplexer Zusammenhänge besitzen, sondern auch Mitglieder der mg seien, ergebe sich aus ihrem »konspirativen Verhalten«. Den gekonnten Umgang mit den Regeln der Konspirativität machen die Ermittlungsbehörden daran fest, daß an Handys überwachter Personen Treffen vereinbart bzw. bestätigt wurden, ohne (den Lauschern) Ort, Zeit und Intention mitzuteilen.
Diese nicht ganz so akademische, eher gefühlte Definition von Terrorismus aus einer Addition von Nähe zu anderen Beschuldigten, intransparentem Habitus und »anschlagsrelevanten Themen« ist nicht neu.

Harsch reagierten namhafte Zeitungen: Während die FAZ am 17.8. noch fragte: »Phrasen als Indizien?«, stellte die Frankfurter Rundschau am 31.8. nur noch fest: »Neun Wörter – ein Terrorverdacht«.

Die Initiative Orwell goes Future (OgF) schlägt folgenden Maßnahmekatalog vor, um das verlorengegangene Vertrauen zurückzugewinnen, die Lücke zwischen dissidenter Verfassungstheorie und bewährter Rechtspraxis zu schließen.

OgF rät

In vielen Branchen unserer boomenden Wirtschaft wird der Fachkräftemangel beklagt. Aber auch im Bereich »Linksterrorismus« beobachten die zuständigen Behörden seit Jahren Nachwuchssorgen. Die Nachfrage übersteigt deutlich das Angebot. Aus diesem Grund schlagen wir dem Bundeskriminalamt und dem Amt für Verfassungsschutz eine gemeinsame Anwerbeoffensive vor.

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Sie suchen die Herausforderung, wollen sich verändern, sind mit Ihrer jetzigen akademischen Tätigkeit unzufrieden, fühlen sich schlicht unterfordert?

Ihnen fehlt der Praxisbezug! Sie wollen aus dem intellektuellen Elfenbeinturm springen, mitten ins spannende, deregulierte Leben.

Sie glauben nicht mehr an die intellektuelle Avantgarde, die bestenfalls gegen Studiengebühren protestiert?

Sie finden Ihre Kollegen langweilig und blasiert?

Sie haben es satt, auf Panels, Kolloquien, Kongressen zu erklären, daß die Welt ungerecht ist?

Sie können die Parole »Eine andere Welt ist möglich« nicht mehr hören?
Wir suchen ab sofort unbefristet Terroristen im akademischen Bereich (auch als Neben- und Freizeittätigkeit möglich)

Sind Sie teamfähig und selbständig?

Belastbar und mobil?

Passen Sie sich schnell neuen, globalen Herausforderungen an?

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Reizen Sie Grenzbereiche und Grauzonen?

Wollen Sie sich jetzt Ihren Traum erfüllen, Privates und Politisches mit dem Beruflichen zu verknüpfen?

Wie werden Sie bei uns Terrorist?

Wir wissen um den ungeheuren Erwartungs- und Fahndungsdruck, der auf den letzten Generationen von Terroristen lastete. Sie waren strapaziösen Mehrfachbelastungen ausgesetzt, mußten ihr bürgerliches Leben aufgeben, absolvierten zahlreiche terrorismusspezifische Ausbildungen, arbeiteten an einer radikalen Gesellschaftskritik und nachts, trugen ein hohes persönliches und kollektives Risiko. Das Image des Elitären, des Spezialistentums, des Übermenschlichen haftete ihnen an.

Mit unserem neuen, niedrigschwelligen Einsteigerprogramm wollen wir gewährleisten, daß in und für die Zukunft mehr Menschen Terroristen werden können. Zum Abbau der Schwellenängste haben wir unser Anforderungsprofil drastisch gesenkt.

Ab sofort werden bei einer akademischen Ausbildung keine weiteren Fortbildungsmaßnahmen verlangt. Auch die Planung und Durchführung von Anschlägen gehört nicht länger zu Ihrem Aufgabengebiet.

Wir erwarten von Ihnen nicht, daß Sie etwas tun, sondern daß man es Ihnen zutraut.

Checkliste

Wir haben für Sie eine Checkliste zusammengestellt. Gehen Sie diese in Ruhe durch. Wenn Sie am Ende 80 Prozent der Anforderungen mit »Ja« beantwortet haben, sind Sie unser Kandidat.
Berufliche Voraussetzungen:
1. Sie haben einen Hochschulabschluß?
2. Sie haben bereits eine akademische Abhandlung geschrieben/publiziert?
3. Ihnen sind Fremdwörter wie »Gentrifizierung«, »Reproduktion«, »politische Klasse« geläufig?
4. Sie beherrschen weitere im akademischen Diskurs gängige Schlagwörter und Phrasen?
5. Sie haben freien Zugang zu Bibliotheken?
Leistungskriterien:
1. Sie zählen sich zur »kritischen Wissenschaft«?
2. Sie haben Kontakt zu linken Aktivisten?
3. Sie pflegen auch Kontakte zu nichtakademischen Kreisen?
4. Sie bewegen sich souverän in »globalisierungskritischen« Milieus?
5. Sie scheuen nicht den Kontakt zu Personen, die etwa gegen den G-8-Gipfel in Heiligendamm protestierten?
6. Sie können Ihr Handy auch mal zu Hause lassen, beherrschen die Regeln konspirativen Umgehens also intuitiv?

Wenn dieses Anforderungsprofil auf Sie zutrifft, dann bewerben Sie sich jetzt!
In absentia (aller Rechtsgarantien).

Den heutigen Blog bitte nicht ernst nehmen, vor allem den letzten Teil nicht.

Aber wie dem auch sei.

Ich bin raus!

M

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